Über 150 Mitglieder nahmen am 25. Februar an dem Kongress der EVP Euregio Maas-Rhein mit dem Titel „Tihange: Time to react!“ teil, zu dem die EU-Abgeordneten Pascal Arimont (CSP-EVP, Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens) und Sabine Verheyen (CDU-EVP, Bezirk Aachen) in Eynatten eingeladen hatten.

Allen voran bot die EVP Euregio Maas-Rhein an, ihre Mitglieder im Rahmen des Kongresses zu informieren. So stellten sich namhafte Experten wie der Direktor der belgischen Atomaufsichtsbehörde, Jan Bens, die Materialwissenschaftlerin Ilse Tweer, die eine kritische Studie zu den Reaktorblöcken verfasst hat, und Prof. Dr. Hans-Josef Allelein (RWTH Aachen) den vielen Fragen des Publikums. Die anwesenden Mitglieder sprachen sich am Ende mehrheitlich dafür aus, die Entscheidung über die Wiederinbetriebnahme von Tihange 2 und Doel 3 zurück zu nehmen und die Reaktoren wieder still zu legen, bis die letzten Zweifel aus der Welt geräumt sind.

[widgetkit id=“21″]

Die Gefahren der Kernkraft machen an den Grenzen nicht halt. Deshalb war es uns als überzeugte Verfechter euregionaler Zusammenarbeit wichtig, dass beide Seiten im konkreten Fall von Tihange 2 und Doel 3 miteinander reden, statt ständig nur übereinander. Es geht nicht darum, sich gegenseitig Schuldzuweisungen zu machen, sondern für alle Bürger der Region für größtmögliche Sicherheit zu sorgen“, erklärte der ostbelgische Europaabgeordnete Pascal Arimont (CSP-EVP) zum Hintergrund des Kongresses. „Experten anhören und offene Fragen versuchen zu klären, das war die Zielsetzung des heutigen Kongresses. Am Ende müssen wir entscheiden, ob wir ein Restrisiko eingehen wollen, wenn nicht alle Fragen restlos geklärt worden sind, oder nicht. Diese Frage haben wir heute Abend mit Nein beantwortet“, so Arimont weiter.

An der Diskussion zur gemeinsamen Meinungsbildung hatten insgesamt neun namhafte Experten teilgenommen, die sich zu den Aspekten der Nuklearsicherheit, dem Energiemarkt und der Versorgungssicherheit sowie der Notfallpläne in der Euregio äußerten.

Zu den Experten zählten:
Laurent JACQUET: CREG (belgische Energieversorgungsbehörde)
Jan BENS: AFCN/FANK (belgische Atomaufsichtsbehörde)
Dipl.-Ing. Jürgen WOLFF: Chef der Berufsfeuerwehr Aachen
Dr. Ilse TWEER: Werkstoffexpertin
Dr. med. Catherine van der REST: Nuklearmedizinerin
Arnaud MEERT: Electrabel (Betreibergesellschaft)
Prof. Dr. Hans-Josef ALLELEIN: Lehrstuhl für Reaktorsicherheit an der RWTH Aachen
Dr. Tobias HELDT: Experte für Haftungsfragen, wirtschaftliche Nutzung von Kernenergie, Energierecht (Maastricht University)
Dieter BISCHOFF: Energieexperte der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU

Die Diskussion war kontrovers und blieb doch immer sachlich. Ilse Tweer, Werkstoffexpertin der Universität Wien und Verfasserin der von den Grünen im Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen kritischen Studie zur Reaktorsicherheit, machte in ihren Ausführungen deutlich, dass nicht auszuschließen sei, dass sich die tausenden Risse in den besagten Reaktoren weiterhin vergrößerten. Prof. Dr. Hans-Josef Allelein, Inhaber des Lehrstuhls für Reaktorsicherheit an der RWTH, beschied zwar, dass nach seinem Wissensstand aktuell kein Grund zur Panik bestehe, sich dennoch Dinge ändern müssten, insbesondere was die Häufigkeit der Inspektionen an den Reaktoren angehe.

Der Vertreter von Electrabel, Arnaud Meert, versicherte den Zuhörern, dass die Sicherheit über den wirtschaftlichen Interessen stehe und es keine Hinweise auf eine weitere Vergrößerung der Risse in den Druckbehältern gebe. Auch Jan Bens, Leiter der belgischen Atomaufsichtsbehörde FANK, erklärte, dass seine Behörde auf größtmögliche Transparenz setze, um bestehende Restzweifel aus der Welt zu schaffen.

Bei der anschließenden Fragerunde wurde deutlich, dass nicht alle Fragen befriedigend beantwortet werden konnten und Restzweifel bestehen blieben. In dem Grundsatzbeschluss, den die anwesenden Mitglieder mehrheitlich verabschiedeten, kamen somit auch verschiedene Aspekte zur Sprache. Gefordert wurde:
– die Entscheidung zur Wiederinbetriebnahme der Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 zurück zu nehmen und die Reaktoren stillzulegen;
– einen grenzüberschreitenden Notfallplan zu entwickeln, der sich insbesondere auf die Gefahr nuklearer Unfälle konzentriert und die Bevölkerung hinsichtlich seiner Umsetzung einbezieht;
– umfassende Vorbeuge- und Sofortmaßnahmen zu entwickeln, die die Gesundheit der Bevölkerung schützen;
– sich auf EU-Ebene für einheitliche und verbindliche Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke einzusetzen sowie für die Schaffung einer europäischen Aufsichtsbehörde für Nuklearsicherheit.

Mit diesen Forderungen sollen nun die Entscheidungsträger auf den verschiedenen Verantwortungsebenen konfrontiert werden.