Am 7. Juni hatte der ostbelgische EU-Abgeordnete Pascal Arimont zu dem Austausch „Ansiedlung des Wolfes in Ostbelgien: Welche Folgen für unsere Natur und Landwirtschaft?“ nach Weywertz in den Saal „Zur alten Linde“ eingeladen, um mit den hiesigen Landwirten, Jägern, Experten des Forstamts, Naturschützern und Vertretern von Natagriwal über die Auswirkungen des Wolfes auf unsere Region zu diskutieren.
„Das Thema wird von Seiten der Landwirte und der Tierhalter immer wieder an mich herangetragen. Es bestehen große Befürchtungen in Bezug auf die wachsende Zahl der Wölfe und die Folgen für den hiesigen Viehbestand. Darum kann man das Thema nicht einfach totschweigen, sondern muss auf diese Ängste eingehen und nach Lösungen suchen. Ist der aktuelle Schutzstatus noch gerechtfertigt und wie ist ein Leben mit dem Wolf überhaupt möglich in einer landwirtschaftlich geprägten Region? Das waren die zentralen Fragen, auf die wir bei dem Abend gemeinsam eingehen wollten“, erklärte Gastgeber Pascal Arimont zum Anlass des Austauschs.
Gastredner war der Südtiroler EU-Abgeordnete Herbert Dorfmann, agrarpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im EU-Parlament, der in seinem Impulsreferat auf die Forderungen des EU-Parlaments zum Thema Wolf einging. Im vergangenen Jahr feierte die so genannte Habitat‐Richtlinie ihren 30. Geburtstag. Der strenge Schutz bestimmter Beutegreifer, der durch diese Richtlinie befördert wird, hat dazu geführt, dass der Wolf sich auch in unseren Breitengraden angesiedelt hat. Dieser Schutz, der eine „Entnahme“ also Tötung des Wolfes außer in Problemfällen untersagt, ist in der Habitat-Richtlinie sowie in dem völkerrechtlichen Vertrag der Berner Konvention festgeschrieben, was eine Anpassung kompliziert macht. Eine Abänderung der Habitat-Richtlinie in Bezug auf den Schutzstatus des Wolfes ist beispielsweise nur durch eine einstimmige Entscheidung der europäischen Umweltminister möglich. Im Europäischen Parlament gab es für diese Forderung allerdings eine Mehrheit, wie die Resolution vom 24. November 2022 gezeigt hatte. Dorfmann plädierte für eine flexible Handhabe in den Mitgliedstaaten, die ihrerseits im Rahmen der Habitat-Richtlinie und der Berner Konvention einen gewissen Handlungsspielraum hätten – wie das Beispiel Frankreich zeige, wo für bestimmte Regionen eine Obergrenze eingeführt wurde, ohne den Bestand insgesamt zu gefährden.
René Dahmen, Leiter des Forstamtes Elsenborn, gab Einblicke zu der bestehenden und zu erwartenden Entwicklung in Bezug auf die Wolfspopulation Ostbelgiens. Im Jahr 2022 lebten insgesamt zehn Wölfe in den beiden bestehenden Revieren Ostbelgiens: dem Revier im Hohen Venn und dem Revier im Raum Büllingen-Bütgenbach. In diesem Jahr könne diese Zahl bereits zwischen insgesamt elf bis 18 Wölfen liegen. Dabei sei es wichtig, zu beachten, dass das Leben der Wölfe nach dem Prinzip des Rudels funktioniere und die Rudel sich in den jeweiligen Gebieten der Ansiedlung nicht in die Quere kämen. Jungwölfe wandern auf der Suche nach einem eigenen Revier ab und werden zu regelrechten Langstreckenläufern: Die Tiere legen auf der Suche bis zu 70 Kilometer pro Tag zurück und können sich manchmal bis über 1.000 Kilometer von dem Ursprungsrudel in einem neuen Revier niederlassen. In den Gebieten der „permanenten Präsenz“ seien insbesondere Schafe gefährdet, weshalb dort Schutzmaßnahmen für diese Tiere getroffen werden sollten. Bei Bedarf seien die „Zonen der ständigen Präsenz“, in denen Viehhalter Unterstützung für Schutzmaßnahmen erhalten, auch flexibel erweiterbar.
Bei der anschließenden Debatte mit den Experten Elena Theissen (Grüner Kreis Ostbelgien), Ingrid Mertes (Bauernbund Ostbelgien), Aloys Faymonville (Jäger), Guido Schütz und Guido Arimont (BNVS/Natagora) sowie Hannah Westenbohm und Emily Hugo (Natagriwal) gingen diese auf die verschiedenen Standpunkte, Vorschläge und Forderungen der betroffenen Organisationen ein. Diese Positionen konnten bei der Fragerunde mit dem Publikum weiter vertieft werden. Dabei wurde insbesondere deutlich, dass die Biodiversität, die mit dem Wolf verbunden wird, nicht gegen die Biodiversität, die die Landwirte durch die freie Tierhaltung auf den hiesigen Weiden sichern, ausgespielt werden dürfe.
„Das Thema Wolf wird derzeit sehr kontrovers und teils sehr emotional diskutiert. Es war uns daher wichtig, im Rahmen eines solchen Austauschs alle zurzeit verfügbaren Informationen rechtlicher und statistischer Natur darzulegen und in einem offenen Austausch die jetzige und zukünftige Situation in Ostbelgien und in den angrenzenden Regionen zu besprechen. Es war ein engagiertes ‚miteinander‘ und kein ‚übereinander‘ Sprechen, bei dem auch sämtliche Befürchtungen klar angesprochen wurden“, bilanzierte Arimont. Aus der Diskussion zog er dann folgendes Fazit: „Angesichts der steigenden Wolfszahlen brauchen wir ein flexibles Wolfsmanagement, das auf lange Sicht – wie bei anderen geschützten Wildtieren auch – eine stärkere Kontrolle und Eingrenzung der Wolfspopulation möglich macht. Wenn der Wolf überall in Europa wieder präsent ist, ist der aktuelle strengste Schutzstatus nicht mehr gerechtfertigt. Eine ‚Entnahme‘ muss dann nicht nur in absoluten Problemfällen möglich sein. Da es sich bei dem Wolf um ein extrem mobiles Tier handelt, muss zudem der grenzüberschreitende Aspekt für die Beurteilung des ‚günstigen Erhaltungszustands‘ viel stärker beachtet werden. Der Erhaltungsstatus des Wolfes ist bei rund 22.000 Wölfen in vielen Regionen Europas nicht mehr gefährdet. Daher müssen die Befürchtungen und Ängste der Bauern, Hirten und Jäger sehr ernst genommen werden. Dazu hat der Abend in meinen Augen beigetragen.“