Um die klimaschädlichen Emissionen der Industrie weiter zu reduzieren, hat die EU-Kommission einen Vorschlag zu einer Verschärfung der so genannten „Industrieemissionen-Richtlinie“ gemacht. Darin sieht die Kommission u.a. vor, landwirtschaftliche Betriebe von mehr als 150 „Großvieheinheiten“ als industrielle Betriebe einzustufen – mit gewaltigen Folgen für die betroffenen Höfe. Bei einem von Pascal Arimont initiierten Arbeitstreffen zwischen dem Bauernbund Ostbelgien und Benoît Lutgen, der Verhandlungsführer für diese Akte im Landwirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments ist, machten beide EU-Parlamentarier deutlich, dass sie vehement gegen die Kommissionspläne vorgehen werden.
„Aktuell fallen nur die großen Agrarfirmen unter den Geltungsbereich dieser Richtlinie. Wenn es nun dazu kommt, dass sich die Kriterien auf Höfe mit 100 bzw. 150 Kühen ausweiten, kommen riesige zusätzliche Auflagen auch auf die hiesigen familiären, landwirtschaftlichen Betriebe zu. Das wäre ein erneuter massiver Bürokratiezuwachs und auch neue Investitionen stünden an, aber die Emissionen würden nicht signifikant reduziert. Gerade in der heutigen Zeit müssen wir die familiäre Landwirtschaft schützen, anstatt ihr immer weitere Auflagen aufzubürden. Darum wollen wir ganz gezielt daran arbeiten, dass dieser Vorschlag so nicht durchkommt. Das wäre auch und vor allem für ostbelgische Betriebe nicht zumutbar, da mindestens 20 Prozent der Betriebe direkt davon betroffen wären. Dagegen werde ich und die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament uns im Namen dieser Landwirte energisch wehren“, erklärte Arimont zum Hintergrund des Austauschs.
Sein Kollege Benoît Lutgen, ehemaliger Landwirtschaftsminister der Wallonischen Region, wird hierzu die Verhandlungen im Landwirtschaftsausschuss führen, so dass ihm eine zentrale Rolle zufällt. Er macht deutlich: „Dieser Vorschlag wird so viel Druck auf die Familienbetriebe ausüben, dass er einem Todesurteil gleichkommt. Was wollen wir morgen essen? Welche Art von Produktion wollen wir? Die Lösung darf nicht sein, dass es morgen nur noch riesige industrielle Betriebe sind, die sich um unsere Ernährung kümmern. Kleine familiäre landwirtschaftliche Betriebe sind keine Industrieanlagen und sollten auch nicht so behandelt werden. Die zusätzlichen Kosten für die Investitionen zur Reduzierung der Emissionen sind – ganz besonders in Zeiten der Energiekrise – nicht haltbar. Wie sollen wir junge Landwirte bei diesen Aussichten morgen noch davon überzeugen, später einmal einen Betrieb weiterzuführen? Nur einer von zwei Landwirten über 50 Jahren weiß heute, wer seinen Betrieb übernehmen soll. Die Ernährungssicherheit und der Erhalt der lokalen Produktion müssen im Zentrum stehen. Mit diesen Auflagen werden die kleinen Betriebe weiter verschwinden. Sie werden den großen Industriebetrieben das Feld überlassen müssen. Oder wir müssen noch mehr nach Europa importieren. Das darf nicht das Ziel sein. Darum geht es jetzt darum, diese Bestimmungen ganz deutlich abzulehnen“, so Lutgen.
Er möchte als Verhandlungsführer des Landwirtschaftsausschusses u.a. dafür eintreten, dass es eine Ausnahme für die in Ostbelgien praktizierte extensive Viehhaltung geben wird.
Für Ostbelgien besonders relevant ist nämlich, dass durch den Vorschlag der Kommission erstmals Vieh in den Geltungsbereich der Richtlinie einbezogen wird, was heute nicht der Fall ist. Angaben der Wallonischen Region zufolge wären allein in Ostbelgien nicht weniger als 20,7 Prozent aller Rinderbetriebe von dem neuen Geltungsbereich betroffen. Für viele Betriebe stünden die anfallenden Kosten in keinem Verhältnis zu den Emissionen, die sie produzieren, was einen starken Druck auf die Rentabilität dieser Betriebe ausüben würde.
In den kommenden Wochen werden parallel zu den Verhandlungen im Landwirtschaftsausschuss weitere Beratungen mit den Landwirtschaftsvertretern stattfinden. Dabei wird auch der Bauernbund Ostbelgien einbezogen.