„Die Abstimmung über das Klimaschutzprojekt ‚Fit für 55‘ ist ein historischer Schritt für die Europäische Union. Wir haben aktuell ein Zeitfenster von rund zehn bis 15 Jahren, um gegen eine Klimaveränderung vorzugehen, die auch für uns mit extremen Wetterbedingungen wie Dürren, Überschwemmungen und Stürmen einhergehen würde. Wir wollen bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt werden. Dafür brauchen wir ambitionierte Zwischenziele bis 2030, die dieses Paket sicherstellen soll. In diesem Rahmen bleibt es wichtig, dass wir aus der Dekarbonisierung keine Deindustrialisierung machen. Als Vorreiterin im Umweltschutz muss die EU die Chancen für Innovationen im industriellen Bereich nutzen. Ebenso muss der Klimaschutz für alle erschwinglich bleiben“, erklärt der ostbelgische EU-Abgeordnete Pascal Arimont zum Hintergrund der Abstimmung zum europäischen Klimaschutzpaket „Fit for 55“.

Ziel des Pakets ist die Bekämpfung des Klimawandels durch eine sehr ambitionierte Senkung der Treibhausgasemissionen um 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990. Anders als erwartet, konnte sich das Parlament gestern aber noch nicht auf eine Position zu der Reform des Emissionshandelssystems, zu dem „Klima-Sozialfonds“ und dem so genannten „CO2-Grenzausgleichssystem“ einigen.

„Ich bedauere, dass wir noch keine Einigung über diese wichtigen Dossiers erzielen konnten. Bei 95 Prozent des Pakets gab es eigentlich eine Einigung zwischen den pro-europäischen Parteien im Parlament. Dem Voraus gingen monatelange Verhandlungen und viele Kompromisse zwischen den Fraktionen. Letztlich haben aber insbesondere die linken und die rechten Fraktionen dagegen gestimmt. Dabei war der Vorschlag, der auf dem Tisch lag, ehrgeiziger als der ursprüngliche Vorschlag der Europäischen Kommission. Inhaltlich ging es um die Reform des Emissionshandelssystems, die Anreize für die Industrie schaffen soll, ihre Emissionen weiter zu senken und in kohlenstoffarme Technologien zu investieren. Mit dem Klima-Sozialfonds soll ein neuer Fonds geschaffen werden, der den am stärksten von Energie- und Mobilitätsarmut Betroffenen helfen soll, die höheren Kosten der Energiewende zu bewältigen. Durch das ‚CO2-Grenzausgleichssystem‘ soll eine Art Aufschlag auf Importe aus Ländern eingeführt werden, die nicht so klimafreundlich produzieren wie europäische Betriebe. All das sind extrem wichtige Akten, die nun erneut im zuständigen Ausschuss diskutiert werden müssen“, verdeutlicht Pascal Arimont. „Wichtig ist, dass dort eine Einigung erzielt wird, die ambitionierte Klimaschutzziele mit dem Erhalt unserer Wirtschaft in Europa vereint. Denn Klimaschutz wird nicht effektiv sein, wenn Arbeitsplätze und die Produktion aus der EU ausgelagert werden in Teile der Welt, die sich um den Klimaschutz nicht scheren. Deshalb fordere ich mehr Realismus und weniger Ideologie. Die soziale Frage und die Arbeitsplätze in Europa dürfen wir bei der Diskussion niemals aus dem Blick verlieren, denn die Menschen müssen bei den gewaltigen Veränderungen, die der Klimaschutz uns abverlangen wird, mitgenommen werden“, führt er aus.

Angenommen wurde gestern hingegen die Gesetzesinitiative zu den CO2-Emissionsnormen für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge, bei der der ostbelgische EU-Abgeordnete Pascal Arimont im Industrieausschuss als Verhandlungsführer seiner Fraktion fungierte. „Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dass ab 2035 nur noch Neufahrzeuge mit Elektromotor zugelassen werden dürfen. Bei den Verhandlungen im Industrieausschuss konnte ich mich noch damit durchsetzen, auch nach 2035 eine Zukunft für den Verbrennungsmotor mit klimaneutralem Antrieb vorzusehen. Auch vor der Abstimmung im Plenum habe ich mich für eine technikoffene Lösung eingesetzt. Denn neben dem Elektromotor sollten auch Alternativen wie die Brennstoffzelle mit Wasserstoff oder der Verbrennungsmotor, der mit so genannten klimaneutralen E-Fuels oder klimaneutralem Wasserstoff betrieben wird, berücksichtigt werden. Ich bedaure, dass das EU-Parlament diese Position letztlich mehrheitlich abgelehnt hat“, so Arimont. „Somit sollen ab 2035 nur noch E-Autos als Neufahrzeuge zugelassen werden, so zumindest die Position des Parlaments. Es wäre in meinen Augen wichtiger gewesen, als EU nicht vorschnell auf Alternativen zu dem Elektromotor zu verzichten. Nach wie vor ist nämlich unklar, wie klimaneutral E-Autos heute und in Zukunft tatsächlich sind und ob wir bis 2035 ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen können, um die Nutzung der Elektro-Batterien wirklich klimaneutral zu machen. Zudem muss sichergestellt werden, dass die notwendige Ladeinfrastruktur auch und vor allem in ländlichen Gebieten aufgebaut wird, was aktuell nicht garantiert ist. Nicht zuletzt die vielen Arbeitsplätze, die in Europa in der Autoindustrie angesiedelt sind, sowie unsere Abhängigkeit von Nickel- bzw. Kobalt- und Lithium, die maßgeblich in China veredelt werden, sprechen dagegen, jetzt schon alles nur auf ein Pferd zu setzen. Technologieoffenheit war ansonsten immer ein Trumpf und hätte auch hier eine Chance für Europa sein können“, so Arimont abschließend.

Die Teile des Gesetzespakets, auf die sich das Parlament einigen konnte, müssen nun noch mit den EU-Mitgliedstaaten verhandelt werden.