Was wissen Facebook und Google über mich? Wie kann ich meine privaten Daten besser schützen? Was ist das Recht auf Vergessenwerden?“ – diese Fragen standen beim Themenabend „Nackt im Netz – Deine Daten gehen fremd!“ am 22. November im Alten Schlachthof in Eupen auf der Agenda. Zu der Diskussion hatte der ostbelgische EU-Abgeordnete Pascal Arimont (CSP-EVP) gemeinsam mit dem „#TeamTomorrow“ eingeladen. Mit rund 150 Zuschauern stieß das Informationsangebot auf großes Interesse.

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Das #TeamTomorrow ist eine Gruppe politikinteressierter junger Menschen, die sich mit dem ostbelgischen EU-Abgeordneten zusammengesetzt haben, um gesellschaftsrelevante Themen zu diskutieren. Ohne Parteizwang und mit viel persönlichem Engagement entstehen aus den Diskussionen verschiedene Themenabende, an denen die Jugendlichen inhaltlich und organisatorisch aktiv mitarbeiten. Der erste Themenabend der Reihe behandelte das Thema Datenschutz. Hochkarätige Experten gaben Auskunft.

Gewollt ist der mündige Datenbürger

Bei seiner Begrüßung ging Gastgeber Pascal Arimont auf die Hintergründe des Themas ein. Der Computer sammle tausende so genannte Cookies zu besuchten Seiten. Einkäufe auf bestimmten Endgeräten seien teurer als auf anderen. Reiseprofile würden über Booking.com verfolgt. „Warum können passgenau Profile angefertigt werden und wie können wir unsere Daten besser schützen?“, fragte der Abgeordnete in den Raum. Die aktuell im Europäischen Parlament laufenden Diskussionen zum Thema hätten ihn dazu bewogen, das Thema mit den Endnutzern zu diskutieren und ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. „Wir wollen den mündigen Datenbürger“, so Arimont.

Neue Gesetzgebung ab Mai 2018

Mit Jan Philipp Albrecht (Grüne/EFA) gab der Chefverhändler der so genannten Datenschutzgrundverordnung bei einem Impulsreferat Auskunft über einen besseren Datenschutz in Europa. Die Verordnung wird im Mai nächsten Jahres in Kraft treten und soll ein Ende mit dem Flickenteppich europäischer Gesetzgebungen in punkto Datenschutz machen.

Hier geht es nicht um den Schutz von Daten, sondern um den Schutz von Menschen“, machte Albrecht deutlich. Durch einheitliche Regeln solle es insbesondere außereuropäischen Anbietern wie Facebook oder Amazon nicht mehr so leicht gemacht werden, sich das passende Land mit laschen Datenschutzvorgaben als Hauptsitz auszusuchen. Hohe Vorgaben würden demnach überall in Europa gelten. Ebenfalls müsse jeder Anbieter, der Produkte in Europa vertreibe, den europäischen Regeln folgen – auch jene ohne Sitz in der EU.

Grundidee der Verordnung sei es, diejenigen zu schützen, „die sich im Internet nicht ausziehen wollen“. „Ich sollte gefragt werden, ob ich meine Daten weitergeben möchte“, so der Geist des Gesetzes. Erstmals gebe es ebenfalls scharfe Sanktionen bei Nichtachtung. So seien Skandale, wie der jüngste um die Uber-Daten, zu vermeiden. „Datenschutz wurde von den Unternehmen lange Zeit nicht ernst genommen“, sagte Albrecht. Das habe sich geändert, denn die EU setze mit der neuen Verordnung sogar weltweit Maßstäbe. Durch eine so genannte ePrivacy-Richtlinie, die im kommenden Jahr verabschiedet werde, würden ergänzende strenge Regeln zur Kommunikation über SMS, Mail oder Apps wie WhatsApp erarbeitet.

„Auf den Weg der Tugend zurückkehren“

Bei einer anschließenden Podiumsdiskussion – moderiert von den #TeamTomorrow-Mitgliedern Cédric Falter und Simen Van Meensel – kamen mit Isabelle Buscke von der Verbraucherzentrale Bundesverband und Neofitos Arathymos, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe, weitere Experten zu Wort. Das #TeamTomorrow arbeitete die Themenbereiche Soziale Medien, Online-Handel sowie Autos und Sachgüter als Datenkraken ab.

Auf die Frage, ob die Nicht-Anmeldung bei Sozialen Medien wie Facebook, Instagram und Twitter der einzige effektive Schutz sei, erklärte Isabelle Buscke, dass sich Firmen wie Facebook in der Vergangenheit einfach nicht an damals bereits bestehende Regeln gehalten hätten. Ihre Marktmacht sei illegal aufgebaut worden. Dadurch sei ein gewaltiger  Vertrauensverlust entstanden. „Wir müssen auf den Weg der Tugend zurückkehren“, so Buscke. Die neue Richtlinie gebe Anlass zur Hoffnung für den Verbraucher, auch dank schmerzhafter Strafen. „Der Rohrstock wird länger“, brachte es Buscke auf den Punkt.

Neofitos Arathymos bestätigte, dass in sozialen Medien sehr vertrauliche Infos weitergegeben würden. Den Verbrauchern fehle jedoch oftmals die Alternative. Sie würden daher dazu gezwungen, fast alle Bedingungen anzunehmen. Milliardenschwere Monopolisten wie Facebook und Google seien in der Vergangenheit nach der „Kraft des Faktischen“ verfahren. Was sich dadurch etabliert habe, sei schnell zur Norm geworden. Dies sei schwierig zu ändern. Arathymos setzte seine Hoffnungen auf technische Anpassungen, die jedoch vom Gesetzgeber ebenfalls vorgegeben werden müssten.

Einig war sich das Panel darin, dass es europäische Alternativen auf dem Markt der Online-Plattformen geben müsse. Ein vertrauenswürdiger Datenschutz stelle eine Chance für neue Geschäftsmodelle in Europa dar.

„Bürger mehr als nur Kunde“

Bei der Diskussion zum Online-Handel warf Buscke die Frage auf, ob es gerecht sei, zusätzlich zu seinen Geschäften auch noch mit seinen Daten bezahlen zu müssen. Bei bestimmten Angeboten bezahle der Kunde bereits für den Dienst, und es werde nicht mit offenen Karten gespielt, wenn Kunden-Daten zusätzlich vermarktet würden. Jan Philipp Albrecht erläuterte, dass die so genannten Cookies – also Daten, die Auskunft über besuchte Webseiten sammeln – durch Grundeinstellungen im Browser vermieden werden könnten. Auch der „Privacy Mode“ als Einstellung beim Surfen kam hierbei zur Sprache. Mit einigen Häkchen sei der Nutzer entweder geschützt oder komplett offen.

Neofitos Arathymos brachte zusätzlich verschlüsselte anonymisierte Profile ins Spiel, die in gewissen Branchen bereits erfolgreich eingesetzt würden. Dadurch würden die Daten von der jeweiligen Person getrennt. „Verbraucher sein ist kein Vollzeitjob“, war es für Isabelle Buscke in diesem Zusammenhang wichtig zu betonen. Auch ohne Insidertricks müsse es möglich sein, frei darüber entscheiden zu können, was der Kunde preisgeben möchte. Zudem gebe es bestimmte Güter, bei denen der Bürger mehr sei als ein bloßer Kunde. Bei Gesundheitsfragen sei beispielsweise die Erstellung von Profilen, über die erkennbar werde, wie viel Sport ein Kunde treibe, nicht akzeptabel.

Autohersteller: Hälfte des Umsatzes mit Datenverkauf

Neue Erkenntnisse gab es ebenfalls im Bereich „Auto als Datenkrake“. Automobilhersteller wie Audi machten aktuell bereits die Hälfte ihres Umsatzes mit dem Datenverkauf. Neofitos Arathymos legte dar, dass die durch die modernen Autos gesammelten Daten an den Hersteller weitergegen würden, ohne dass der Kunde dies frei entscheiden könne. Auf diese Weise würden beispielsweise Sonderversicherungen angeboten, die sich aus dem Wissen um einen möglichen Defekt ergäben, der aus den Daten ersichtlich werde. Für Jan Philipp Albrecht war klar, dass es auch hier anonymisierte Alternativen geben müsse. Die freie Entscheidung des Kunden, ob er seine Daten weitergeben wolle, sei nach wie vor der wichtigste Prüfstein.

Guter Datenschutz die neue Bio-Ware?

Bei der anschließenden Fragerunde durch die Besucher kamen gezielte Fragen zu verbraucherfreundlichen Alternativen im Netz zur Sprache. Diese könnten als Bio-Ware im Verhältnis zum herkömmlichen Fast-Food in Netz dienen. Auch das Recht auf Vergessenwerden, das in der neuen Verordnung vorgesehen ist, sehe eine Löschung bestimmter Inhalte im Netz nach einer gewissen Zeit vor. Das Thema Bildung von Jugendlichen bei der Nutzung moderner Technologien sei ebenfalls wichtig, um junge Menschen zu einem vernünftigen Umgang mit ihren Daten anzuhalten.

In der Schlussrunde bestätigten alle Experten nochmals, dass die verabschiedete Grundverordnung den europäischen Bürger im Netz weniger nackt machen werde. Pascal Arimont bedankte sich für die geleistete Aufklärungsarbeit: „Wir müssen verstehen, in welcher Welt wir heute leben und wie diese funktioniert. Nur so können wir Änderungen erreichen“. Wichtig zu betonen sei in diesem Zusammenhang, dass sich die EU in diesem Bereich weltweit durchaus als Pionier bezeichnen könne.

Hier ist der Film zur Veranstaltung.